Montag, 12. Mai 2014

Ist Digitalisierung in Betrieben Führungsaufgabe?

Immer wieder wird die Wirtschaft darauf hingewiesen, vor welch großen Herausforderungen sie steht. Betriebe jeder Größenordnung müssen mit Megatrends wie Globalisierung, Demographischem Wandel und der Technisierung umgehen. Das Erkennen der mit diesen Trends einhergehenden Änderungs- bzw. Entwicklungsbedarfe und insbesondere deren Umsetzung ist für viele Betriebe neben dem Tagesschäft schwierig. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die entsprechend ihrer Größe keine Stabsabteilungen haben und diese Themen aufbereiten.
Ich habe mich gefragt, ob und wie Betriebe mit dem Thema Digitalisierung umgehen. Dass die Digitalisierung auch die Wirtschaft erreicht hat, wird doch von Politik und Spitzenverbänden immer erklärt.

Was aber genau heißt das für die Betriebe? In der Hauptsache beschäftige ich mich mit Arbeitsbedingungen in Betrieben. Die Digitalisierung hat bislang aber in diesem Zusammenhang immer nur eine marginale Rolle gespielt. Wie also ist der Status quo und was sollten Arbeitgeber tun?

Um zur ersten Frage einen ersten Eindruck zu bekommen, habe ich mich ein wenig umgesehen und bin vor allem auf zwei Studien gestoßen: Zum einen habe ich mir die Studie "Digitalisierung im Mittelstand" von Deloitte angesehen, die 2013 veröffentlicht worden ist. Darin wurden die Ergebnisse von Befragungen und Interviews mit 41 mittelständischen Betrieben zum Thema Digitalisierung zusammengefasst. In dieser wie ich finde sehr gut lesbaren Studie erhält man einen guten Eindruck davon, wo mittelständische Unternehmen stehen - wobei jedoch zu beachten ist, dass in diesem Zusammenhang die befragten mittelständischen Unternehmen um die 2.000 Mitarbeiter beschäftigen, während nach der EU-Defintion bereits ab 250 Mitarbeitern nicht mehr von Mittelstand gesprochen werden kann.

Zum anderen habe ich mir den "Monitoring-Report  Digitale Wirtschaft" des BMWI vom Dezember 2013 angesehen (diese gibt es in einer Kurzzusammenfassung sowie einer  Langversion auf der Seite des BMWI). Das Monitoring beschäftigt sich allerdings eher am Rande mit dem Grad der Digitalisierung deutscher Betriebe. Das Grußwort kommt von der Parlamentarischen Staatssekretärin des BMWI Brigitte Zypries, die auch im Rahmen der Re Publica 2014 letzte Woche im Rahmen einer Session insbesondere die Standpunkte des BMWI zum Thema Netzneutralität und TTIP erläutert hat.

Ist das Thema Digitalisierung in deutschen Betrieben angekommen?
Dies war die erste Frage, die ich mir gestellt habe. Dazu äußert sich das Monitoring des BMWI erfrischend offen: Vergleicht man die besten 15 Länder, wird von Deutschland lediglich Platz 8 (der als "schwach" bezeichnet wird) von Deutschland belegt. Dies bezieht sich auf die Nutzung der neuen Technologien In der Befragung von Deloitte zeigt sich ein ähnliches Bild. Zwar sei man sich der Wichtigkeit des Themas bewusst, jedoch müsse davon ausgegangen werden, dass nicht alle Funktionalitäten der neuen Techniken überhaupt  ausgeschöpft würden. M.E. könnte es daran liegen, dass man in den Betrieben nicht um alle Möglichkeiten weiß, die durch die neuen Technologien geboten werden. Man muss auch davon ausgehen, dass bei der Befragung zu einem bestimmten Thema die Aufmerksamkeit derart darauf gelenkt wird, dass man es als wichtiger einstuft, als es in dem betrieblichen Alltag praktiziert wird.

Insofern ist davon auszugehen, dass es noch deutlich "ungehobenes Potential" gibt.

Umgang mit dem Thema Digitalisierung in den Unternehmen
Wenn auch der Nutzungsgrad durch Betriebe höher und intensiver sein könnte, hat sich mir die Frage gestellt, wie denn die bereits "Aktiven" damit zumgehen.

Zu diesem Thema lässt sich vor allem Deloitte ausführlicher aus. Es wird festgestellt, dass oftmals Strategien fehlten, um das Thema nachhaltig im Unternehmen zu verankern. Dazu wird dann gleich festgestellt, Digitalisierung müsse strategisch angegangen werden und dürfe auch nicht bottom up oder durch IT-Abteilungen aufgebracht und bearbeitet werden, es müssten die Führungsebenen das Thema vorantreiben.

Wieviel Strategie ist möglich?
Leider ist dies im laufenden Tagesgeschäft mit steigenden Anforderungen an die Flexibilität eines sich ständig veränderten Marktes und gerade bei mittelständischen Unternehmen (nach EU-Definition) eine große Herausforderung. Dies gilt insbesondere, wenn Personen fehlen, die sich um Quertschnittsaufgaben kümmern. In diesen Fällen sind meistens nur kleine Schritte möglich. Und die Betriebe sind darauf angewiesen, dass sich jemand um diese Themen kümmert, der etwas davon versteht. Da man aber gerade bei dem Thema Digialisierung beispielsweise in meinem o.g. Dachdeckereibetrieb die Mitarbeitern nicht nach etwaigen Qualifizierungen im Bereich neue Technologien aussucht, sind die Kompetenzen zumindest nicht offensichtlich vorhanden.

Daher bin ich der Meinung, dass ein strategisches Vorgehen zumindest schwierig ist und bei einem Thema wieder Digitalisierung, in dem man offensichtlich erst sukzessive die Möglichkeiten kennenlernen und ausschöpfen kann, nicht sinnvoll.

Wie könnte ein alternativer Umgang mit dem Thema aussehen?
Und dies bringt mich direkt zu einem der Punkte, bei denen ich anderer Meinung bin als die Herausgeber der Deloitte-Studie: Ich glaube aus den o.g. Gründen eben gerade nicht daran, dass ein strategisches Vorgehen von den Führungsebenen her der richtige Weg ist. Irgendjemand muss bei dem Thema Digitalisierung mit der neuen Technik arbeiten. Wie sich gezeigt hat, werden die Möglichkeiten der neuen Technologien nicht ausgeschöpft - wenn man überhaupt eine Vorstellung des Machbaren hat. Dass ein solches Thema von den Führungsebenen unterstützt und moderierend begleitet werden muss, steht außer Frage.

Allerdings kennen die Mitarbeiter am besten die Abläufe und ggf. Verbesserungsmöglichkeiten - und einige kennen sogar die entsprechenden Technologien, um dies zu erreichen. Warum also nicht die fragen und einbeziehen, die damit arbeiten müssen? Ich denke, dass grundsätzlich ein partizipatives Vorgehen in Betrieben insbesondere bei Innovationen zu den besten Ergebnissen führen. Insofern sollte sicher auch nicht eine Federführung der IT gegeben sein, sondern eine Begleitung. Ob enstprechende Kompetenzen in den von Deloitte befragten Betrieben vorhanden wäre und Ideen zu einer besseren Nutzung der Technologien  hätten, werden wir nicht erfahren. Denn leider hat keiner die Mitarbeiter gefragt. Schade.

Zusätzlicher Aspekt
Beide Studien hatten eher eine Optimierung der Arbeit durch verbesserte Abläufe als Gegenstand. Was meiner Ansicht nach außer Acht gelassen wird ist der Umstand, dass oftmals nicht nur die Abläufe geändert werden, sondern häufig auch die Unternehmenskultur sowie die Struktur des Betriebes betroffen sind. Ein gutes Beispiel dazu ist die Zusammenarbeit auf Plattformen. Sollen beispielsweise Präsentationen oder Texte von einem Team zusammengestellt werden, entsteht ein hoher Grad an Transparenz, wer welche Arbeitsleistung einbringt: Durch Kommentierungen und Diskussionen wird deutlich, wer woran gearbeitet hat. Da ist es möglich, dass zu manchen Themen nicht immer die Chefs diejenigen sind, die am besten Bescheid wissen.

Nach einem modernen Führungsverständnis muss der Chef das auch nicht. Wenn es aber noch eine klassische hierarchische Führungsstrukur gibt, kann der Einsatz von neuen Techniken hier zu einem Paradigmenwechsel führen, auf den manche Betriebe nicht vorbereitet sind. Dies kann nur eine entsprechende Unternehmenskultur auffangen, die einen solchen Wechsel entweder schon hinter sich hat oder bereit ist, die Verbesserung der Arbeitsergebnisse auf Kosten von Status und vermeintliche Überlegenheit aufzufangen. In jedem Fall ist dieser Aspekt nicht zu unterschätzen und sollte proaktiv mit einbezogen werden.


Weitere Aspekte
...gibt es noch einige Fragen, die für Unternehmen in diesem Zusammenhang sehr wichtig sind. Diese werden in dem Monitoring des BMWI z.T. auch angesprochen. Die Lösungen sind jedoch eher Langzeitprojekte und ich möchte auch nur zwei Beispiele nennen:
  • Datensicherheit (dass die NSA jetzt weniger späht, ist mir jedenfalls nicht bekannt - um nur ein Problem zu nennen)
  • "Internet für alle": Netzabdeckung und schnelles Internet: Wer hin und wieder die Bahnstrecke von Hannover nach Berlin bereist, kann sich endlich mal wieder Offline-Aktivitäten widmen: Es ist gar nicht oder nur sehr schlecht ein Netz zu finden und wer keine Geduld hat, sich alle zwei Minuten wieder neu einzuwählen und überhaupt eine geringe Frustrationsgrenze hat, sollte es einfach lassen. Auch mitten im Ruhrgebiet kann man einfach schon mal ohne Netz dastehen. Schön ist auch das Erlebnis, dass nun endlich Glasfaserkabel und "schnelles Internet" im eigenen Stadtteil zur Verfügung steht - dann aber "kein Platz" für einen ist - was auch immer das zu bedeuten hat. Wie so Unternehmen erfolgreich und effizient das Internet nutzen sollen, ist mir ein Rätsel.
Allerdings haben Unternehmen durchaus die Möglichkeit, auf diese für sie existenziellen Themen einzuwirken.  Dazu müssen sie sich aber mit dem Thema Digitalisierung erst einmal auseinandersetzen.

Und an dieser Stelle - so  mein Fazit an dieser Stelle - geht noch was!



Freitag, 2. Mai 2014

Über Plastik zwischen den Zähnen, Alu unterm Arm und Chlor ums Huhn

Eigentlich wollte ich nur kurz einmal auf facebook nachschauen, was es so Neues gibt. Gleich als erste Meldung springt mir ein Hinweis auf eine Seite vom BUND ins Auge, in dem es um Mikroplastik insbesondere in Kosmetika geht.

Zunächst bin ich nur leicht irritiert und vermute, ich bringe was durcheinander. Aber nein, die Meldung, die ich jüngst gelesen hatte, handelte von Aluminium in Deodorants. Ist was grundsätzlich anderes. Dabei kann Brustkrebs ausgelöst werden. Während Mikroplastik nicht filterbar ist, deswegen in die Gewässer gelangt, darüber in die Tiere und letztendlich bei uns auf dem Teller. Da das Plastik Schadstoffe bindet bringt das einige üble Folgen mit sich - jetzt mal unabhängig davon, dass das ganze Zeug auch noch in den Gewässern  bleibt (und die Folgen sind nicht absehbar) und ich mir das Zeug auch noch täglich ins Gesicht schmiere!

Der BUND hat netterweise schon mal eine Liste zusammengesellt, in der diejenigen Artikel stehen, die Mikroplastik enthalten. Fast wünschte ich, den Artikel gar nicht gelesen zu haben: Die Liste ist lang und geht über alle möglichen Kosmentikfirmen und Produkte. Das Zeug ist wirklich überall drin. In Zahnpasta (direkter kann man sich das Zeug kaum mehr antun), Duschgels, Foundation, Lipgloss, Augenmake-Up...furchtbar! Sofort hatte ich einen Kosmetikartikel identifiziert. Eine Foundation von mir stand nicht auf der Liste - aber leider auch keine Inhaltsstoffe auf der kleinen Glasflasche.  Also wie kriege ich raus, was "gut" ist und was mache ich mit dem "bösen" Zeug?

Nach der Aluminiummeldung hat es schon geschlagene 15 Minuten gedauert, bis ich im Supermarkt Deos ausmachen konnte, die KEIN Aluminium beinhalten. Wie soll es jetzt werden, wenn ich das gesamte Make Up so raussuche? Abgesehen davon, dass ich  nicht weiß, was da noch für Zeug drin ist, das ungesund, giftig oder einfach nur nicht nachhaltig ist? Das Ganze kombiniert mit dem Studium der Inhaltsstoffe und Brennwerte von Lebensmitteln, dem Gespräch mit der Fleischfachverkäuferin über Herkunft, Aufzucht und Futtergewohnheiten zu jedem Fleischprodukt an der Theke - da wird jeder Wocheneinkauf zum Marathonereignis.

Aber selbst, wenn ich das zukünftig so handhabe: Ich bin kein Chemiker und weiß einfach nicht, was wo drin sei darf und was nicht. Ich möchte sicher sein, dass ich in einem Supermarkt einkaufe und nicht meine Familie und  mich vergifte oder unnötig mit Antibiotika belaste - je nachdem. Am liebsten möchte ich  auch noch mit dem guten Gefühl einkaufen, dass ich niemandem damit schade. Das ist unrealistisch und das ist mir klar. Aber ich möchte auch nicht den Produzenten ausgeliefert sein und keine Ahnung haben, was ich da kaufe.  Je nach Grad der Aufregung werden bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt: Z.B. ohne Tierversuche, ohne Konservierungsstoffe, parfümfrei usw. Aber das Problem ist, dass ich davon ausgehen muss, damit nur einen Bruchteil davon zu erfahren, was ein noch nicht mal übersensibler Konsument wissen will.

Wie kann sich das ändern? Solange die Produktionsfirmen kein eigenständiges Bewusstsein zur Nachhaltigkeit in ihrer Unternehmenskultur verankert haben, kann das wohl nur über "Schmerz" und Reglementierung erfolgen: Nur dann, wenn die Kunden ihre direkte und größte Macht nutzen, nicht nachhaltige Produkte zu produzieren, werden Unternehmen umdenken - weil die Zahlen nicht mehr stimmen. Ob die Konsumenten ihre Macht auch in einem relevanten und wirksamen Maß nutzen, ist fraglich. Außerdem müssen sie dazu überhaupt erst einmal in die Lage versetzt werden, sich eine Meinung bilden zu können - ich jedenfalls fühle mich nicht ausreichend informiert.

Dann aber wäre es die Aufgabe der Politik, entsprechend zu reglementieren. Am meisten würde hier eine Information der Konsumenten durch entsprechende Transparenz hinsichtlich der Produkte bringen, die bislang reines Wunschdenken ist. Inhaltsstoffe und Produktionsbedingungen werden noch allzu gern im Dunkeln gelassen. Und dabei ist es nicht hilfreich, Freihandelsabkommen hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, die das o.g. Problem noch verstärken (das bekannte in Chlor eingelegte Hühnchen, auch ich möchte es nicht vorenhalten) und durch eine doppelte Intransparenz die Situation der Verbraucher noch weiter zu verschlimmern.

Solange der Wunsch nach dem "mündigen" Konsumenten und einer Politik FÜR den Bürger fromm bleiben, werden wir wohl zukünftig viel Zeit für die Einkäufe einplanen müssen...