Samstag, 24. September 2011

Pflegeproblematik geht über Einzelzimmer-Debatte hinaus

Ein Schwerpunktthema der heutigen "Neuen Westfälischen" beschäftigt sich mit dem Thema Pflegeeinrichtungen: "Hunderte Pflegeheime kämpfen um ihres Existenz" titelt das Blatt. Es geht um den hohen Investitionsbedarf von Pflegeheimen. Diese müssen aufgrund einer in NRW neu erlassenen Durchführungsverordnung ab 2018 einen Einzelzimmeranteil von mindestens 80 % zur Verfügung stellen. Viele Einrichtungen kämen mit dem Investitionsbedarf an ihre Grenzen, die Studie prognostiziere das Aus für jede siebte Einrichtung. Außerdem mangele es an Fachpersonal, der Beruf müsse attraktiver dargestellt werden, die Arbeitsbedingungen seien verbesserungswürdig und mehr Gehalt für diese Tätigkeit sei angemessen.

Auf Seite 2 der Zeitung findet sich denn auch gleich ein Kommentar dazu: Diese rein betriebswirtschaftliche Sicht sei nicht passend. Sie resultiere aus einer "interessengesteuerten Grundhaltung". Auch wenn die Situation richtig dargestellt sei, gehe dies am Bedarf vorbei. Immer mehr Menschen wollten so lange wie möglich zu Hause wohnen. Dies erfordere einen massiven Ausbau ambulanter Pflege und nicht einen Ausbau der Pflegeheime - eine "Investition in Beton".

Ich lese diese Artikel und denke: An der in dem Leitartikel dargestellten Situation besteht kein Zweifel. Auch die Sichtweise des Kommentares ist nicht von der Hand zu weisen. ABER: Beides deckt doch nicht die Situation in Gänze ab.

Insbesondere mit dem allgemeinen Verständnis von Pflege und den tatsächlichen Anteilen in den verschiedenen Altersgruppen (im Jahr 2007) setzt sich der "Sechster Bericht zur Lage der Älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland - Altersbilder in der Gesellschaft" von 2011 des BMFSFJ auseinander. Es zeigt sich: Der Begriff ist nicht eindeutig zugeordnet, er wird erst einmal neu definiert. Damit einher gehen natürlich auch die entsprechenden Erkenntnisse: Pflege ist nicht gleich Pflege. Für den einen ist es schon das regelmäßige Helfen bei Besorgungen und Arztbesuchen, der andere meint intensive und bereits medizinische Kenntnisse erforderliche Betreuung.

Des Weiteren zeigt sich, dass dieses Spektrum mit "einem Pool an Maßnahmen" begegnet werden kann - und muss. Also geht es nicht nur um ambulante und stationäre Pflege, sondern auch um soziale Netzwerke und sonstige Hilfsmöglichkeiten zur Unterstützung.

Wichtig finde ich hier zum einen auch die Sichtweise der Empfänger der Pflege- oder Unterstützungsleistung. Oftmals fällt es schwer, sich einzugestehen, dass man diese Hilfe braucht. Und nicht nur, weil man sich gern überschätzt, sondern weil das annehmen von Hilfe nicht für jeden leicht ist - erst Recht nicht, wenn dabei der Eingriff in die Intimsphäre unausweichlich ist. Dies braucht Verständnis und einen geschulten Umgang- also wirklich fachliche Unterstützung.

Diese Sichtweise ist auch zu berücksichtigen - vor allem deren Anforderungen an die entsprechende Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Bezahlungen.

Und dies sind nur die offensichtlich Betroffenen. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Auswirkungen auf das Umfeld der zu pflegenden Personen, von denen ich die betreuenden Angehörigen sowie beispielsweise deren Arbeitgeber (starke private Belastung versus volle Arbeitsleistung?) zu nennen.

Meines Erachtens zeigt dies, dass man sich hier nicht nur mit Einzelaspekten befassen darf. Das Thema Pflege muss als Gesamtkonzept gedacht und bearbeitet werden - schlecht wäre es, hier eine Lösung auf Kosten einer anderen auszuspielen als "einzig richtig" hervorzuheben.