Mittwoch, 15. Oktober 2014

Eingefrorene Eier in Silicon Valley: Warum (nicht)?

Unglaubliche Bewegung im Thema Familienfreundliche Unternehmen: Die Nachricht, Apple und Facebook würden (bzw. werden) ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren von Eizellen bezahlen, hat die Nachrichtendienste heiß und die Gemüter hochlaufen lassen. Im Kern spaltet die Welt die Frage, ob es sich um moralisch verwerfliche Maßnahmen handelt, die eher das Gegenteil von Familienfreundlichkeit bewirken oder handelt es sich um einen beispielhaften Vorstoß zweier amerikanischer Unternehmen? Wie auch immer: Das Thema ist so spannend wie seit Jahren nicht mehr.

Bei dem Thema Familienfreundlichkeit in Unternehmen geht es hierzulande eher beschaulich zu.
Und nun kommen zwei Unternehmen aus den USA, die Unglaubliches tun bzw. zu tun planen: Es soll den Mitarbeiterinnen bzw. den Frauen der Mitarbeiter das Einfrieren der Eizellen bezahlt werden. Während wir in Deutschland über steuerfreie Kinderbetreuungszuschüsse und Eltern-Kind-Zimmer diskutieren, redet man in den USA über eine tiefgreifende - finanzielle - Beteiligung des Arbeitgebers bei der Familiengründung.

Kinderlosigkeit - auch ein deutsches Problem?
Natürlich hat sich die Presse gleich die schönste Maßnahme herausgesucht, die am meisten Aufregung verspricht. In vielen Artikeln wird gleich darauf hingewiesen: Die Diskussion zu solchen Maßnahmen hat in den USA eine andere Historie und ist mir deutschen Diskussionen nicht vergleichbar. Die Grundproblematik ist aber die gleiche: Immer mehr Frauen bekommen später oder auch nie Kinder.

Destatis hat für 2012 dazu in dem Bericht "Geburtentrends und Familiensituation in Deutschland" für 2012 einige Zahlen aufbereitet. Wichtig finde ich die Erwähung, dass überhaupt erst 2008 bei der  Mikrozensus-Befragung ausführliche Daten zur Kinderlosigkeit  in Deutschland gewonnen werden konnten.

Für 2012 lag die Kinderlosenquote (auch ein neuer Begriff) in Deutschland bei 22 % und damit beinahe doppelt so hoch wie 1990. Bei Akademikerinnen lag die Quote sogar bei 28 %. Erwartet wird, dass die Quote weiter ansteigt.  Darüber hinaus hat Allensbach in einer Umfrage 2007 ermittelt, dass 36 % der 25 bis 59 Jährigen einen unerfüllten Kinderwunsch haben (der Kinderwunsch bezieht sich sowohl auf erste als auch auf weitere Kinder). 8 % in der gleichen Altergruppe haben sich bewusst gegen ein Kind entschieden.

Reproduktionsmedizin und Arbeitgeber
Ohne dass es eine Neuigkeit wäre, sollte aber darauf hingewiesen werden: Auch in Deutschland ist Kinderlosigkeit ein großes Thema. Und klar ist auch: Die Lebensumstände spielen bei der Frage, ob und wann man Kinder möchte eine sehr große Rolle. Lang andauernde Ausbildungen, Reihenweise Praktika, bis man einen ersten Job bekommt, in dem man sich beweisen will. In der "Rush-hour des Lebens" schiebt man eben das erst einmal auf, was gerade nicht existienziell ist: Das Kinderkriegen. Unerfüllte Kinderwünsche stellen Familien oft vor große psychische und finanzielle Belastungen. Nicht selten scheitert der Wunsch nach Kindern gerade an den Finanzen, denn z.B. künstliche Befruchtungen werden i.d.R. nur für drei Versuche zu 50 % von Krankenkassen übernommen und kosten ab ca. 2.000 €.

Auch vor diesem Hintergrund sind die Maßnhamen zu sehen, über die diskutiert wird. Und vor allem: Es geht um noch viel mehr. Bezahlte Elternzeit, ein Elterngeld und weitere Unterstützungsleistungen, die der ganzen Familie zugute kommen.

Das alles tun die beiden Firmen nicht einfach nur so. Sie haben sich damit befasst, was ihre Mitarbeiter wünschen und brauchen und gleichzeitig sicherstellt, dass diese an ihren Arbeitgeber gebunden werden. Weil man dort nicht nur gute Arbeitsergebnisse erwartet, sondern auch auf ihre Bedürfnisse eingeht. Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, wie sehr es seinen Mitarbeitern entgegenkommen will - und in welcher Weise. Bei einigen muss ein wenig Flexibilisierung der Arbeitszeit reichen und ansonsten soll bitte Privates auch privat bleiben. Andere hingegen nehmen ihre Mitarbeiter als "Gesamtpaket" und verstehen: Sie sind Menschen in verschiedenen Lebensphasen mit guten und schlechten Phasen, Höhen und Tiefen in ihrem Leben -und ihrer Leistungsfähigkeit. Und damit sie ihr Bestes geben können, versucht man, in den schlechten Phasen und Tiefen zu unterstüzten.

Dies geht bei einigen Unternehmen auch so weit, dass man Schuldnerberatungen, psychische Unterstützung oder auch weitergehende medizinische Unterstützung gewährt. Die konkreten Maßnahmen kenne ich bisher zwar nur in eher konservativen Zusammenhängen, also z.B. der Rehabilitation nach Erkrankungen. Aber den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt.

Sollten nun Arbeitgeber ihren Mitarbeitern das Einfrieren von Eiern bezahlen? Ich finde, das muss jeder Arbeitgeber selbst entscheiden. Auch, ob man das als Arbeitnehmer überhaupt in Anspruch nehmen wollte. Aber die Vorstellung, dass es Arbeitgeber gibt, die sich solch tiefgreifender persönlichen Probleme annehmen und den Arbeitnehmer ermutigen, damit zu ihnen zu kommen, finde ich übertragbar.